Das grüne Gold: Was Wasserstoff so wertvoll macht

Schon 1874 erkannte der französische Schriftsteller Jules Verne: «Wasser ist die Kohle der Zukunft.» Eine visionäre Prognose: Heute, fast 150 Jahre später, gilt Wasserstoff als Schlüsselrohstoff der Energiewende. Das flüchtige Gas kann Häuser beheizen und Autos, Flugzeuge, Schiffe oder Lastwagen antreiben.
 

Das grüne Gold: Was Wasserstoff so wertvoll macht

Grundsätzlich gibt es zwei Wege, aus Wasserstoff Energie zu erzeugen. Er lässt sich – genau wie Erdgas – einfach verbrennen. Dabei entstehen mechanische Arbeit und Wärme. Wasserstoff-Verbrennungsmotoren haben sich allerdings nicht bewährt. Das Verbrennen von Wasserstoff macht wenn dann eher beim Heizen Sinn, indem eine begrenzte Menge ins Gasnetz eingespeist wird. Direkter, aufgrund einer elektrochemischen Reaktion, funktioniert die Stromerzeugung mithilfe einer Brennstoffzelle. Hier reagieren Wasserstoff und Sauerstoff miteinander. Es entstehen Gleichstrom und Wärme. Und zwar besonders effizient: Brennstoffzellen nutzen die Energie des eingesetzten Wasserstoffs fast vollständig.

Hoher Energiebedarf

Bei der Produktion von Wasserstoff gibt es vier Varianten: grünen, blauen, türkisen und grauen Wasserstoff. Klimaneutral und nachhaltig ist nur grüner Wasserstoff. Er wird ausschliesslich mit erneuerbarem Strom erzeugt. Aus fossilen Brennstoffen produzierter grauer Wasserstoff ist zwar kostengünstig, schädigt aber das Klima. Was also spricht dagegen, ausschliesslich grünen Wasserstoff herzustellen?

Die Technik ist nicht das Problem. Mithilfe eines sogenannten Elektrolysers kann Wasser unter Strom gesetzt werden, sodass sich Wasserstoff- und Sauerstoffatome voneinander lösen. Die Herstellung ist allerdings aufwendig: Von 100 Kilowattstunden Strom bleiben nach der Elektrolyse nur zwei Drittel der Energie im Wasserstoff gespeichert. Damit sich grüner Wasserstoff durchsetzen kann, muss also sehr viel erneuerbare Energie vorhanden sein.

Wundermittel Wasserstoff

Das Potenzial besteht: Dank Wasserstoff könnten auch energieintensive Produkte wie Stahl, Beton und Chemikalien nachhaltig hergestellt werden. Doch Wasserstoff kann noch viel mehr: Brennstoffzellen erzeugen aus Wasserstoff direkt Wärme und Strom. Langfristig könnte Wasserstoff Diesel ersetzen und die Verbrennung von Erdgas, Kohle und Öl überflüssig machen – in der Industrie, im Transport und Verkehr ebenso wie in der Strom- und Wärmeversorgung.

Gebäude

Zum Heizen von Wohnhäusern gibt es effizientere Varianten als Wasserstoff, etwa Wärmepumpen. Eine viel wichtigere Rolle spielt Wasserstoff bei der Speicherung: Überschüssiger Strom, den die Solaranlage im Sommer produziert, kann mittels Power-to-Gas-Technologie zunächst in Wasserstoff und dann in erneuerbares Gas umgewandelt und gespeichert werden. Im Winter kommt das Gas dann für die Gas­heizung zum Einsatz.

Autos

BMW testete schon in den 90er-Jahren Wasserstoffmotoren. Heute bieten einzelne Hersteller zwar Brennstoff­zellen-Autos an, in der Autobranche herrscht aber weitgehend Einigkeit, dass Batteriefahrzeuge aktuell der bessere Weg sind, unter anderem wegen ihrer Energiebilanz. Wenn dereinst genügend grüner Wasserstoff verfügbar ist, könnten Autos mit Brennstoffzelle wieder ins Spiel kommen.

Lkws

Schon heute rollen erste Wasserstoff-Lkw auf Schweizer Strassen. Bis Ende 2023 sollen bereits 1'000 Brennstoffzellen-Lastwagen unterwegs sein. Die privatwirtschaftliche Initiative H2 Mobilität hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Gemeinsam mit dem südkoreanischen Fahrzeugbauer Hyundai will sie die weltweit grösste Wasserstoff-Lkw-Flotte in Verkehr bringen. Parallel dazu wird mit verschiedenen Partnern das notwendige Tankstellennetz geschaffen.

Flugzeuge

Wasserstoff statt Kerosin – diesen Ansatz verfolgt zum Beispiel Airbus mit dem Konzept «Zero E». Bis 2035 will der europäische Flugzeugbauer Maschinen mit unterschiedlichen Antriebskonzepten auf den Markt bringen. Batterien kommen für Flugzeuge derzeit nicht in Betracht – sie sind einfach zu schwer. Wohl am weitesten sind Planungen für ein Turbopropmodell mit Brennstoffzelle – ein Propellerflugzeug für bis zu 100 Passagiere.

Schiffe

Auch auf hoher See und in der Binnenschifffahrt tut sich was: In Kürze wird auf der Seine bei Paris ein Frachtschiff mit Wasserstoffantrieb starten. Und 2027 soll zwischen Kopenhagen und Oslo eine wasserstoffbetriebene Fähre bis zu 1'800 Passagiere, 380 Autos und 120 Lastwagen befördern: Die Europa Seaways soll ausschliesslich mit grünem Wasserstoff betrieben werden und rund 64'000 Tonnen CO₂ sparen.

Die Farbenlehre des Wasserstoffs

Wasserstoff ist nur so sauber wie seine Herstellung. Gemessen am produktionsbedingten CO₂-Ausstoss unterscheiden Experten vier Varianten: 

  • Grauer Wasserstoff: Wird auf Basis fossiler Brennstoffe wie Erdgas oder Rohöl erzeugt. Dabei entsteht CO₂, das ungenutzt in die Atmosphäre gelangt und den Treibhauseffekt verstärkt. Preiswert und weit verbreitet, aber umweltschädlich.
  • Blauer Wasserstoff: Ist grauer Wasserstoff mit einem Unterschied: Das CO₂ gelangt nicht in die Atmosphäre, sondern wird ab­geschieden und unterirdisch gespeichert. Bilanziell klimaneutral, aber aufgrund der begrenzten Speicherkapazitäten und des technischen Aufwandes weder nachhaltig noch dauerhaft umsetzbar.
  • Türkiser Wasserstoff: Entsteht, wenn ein Hochtemperaturreaktor Methan thermisch spaltet (Methanpyrolyse). Nebenprodukt ist kein gasförmiges CO₂, sondern fester Kohlenstoff. Damit türkiser Wasserstoff klima­neutral ist, muss der Reaktor mit erneuerbarer Energie erhitzt und der Kohlenstoff dauerhaft gebunden werden. Auch entweicht immer ein kleiner Teil Methan in die Atmosphäre.
  • Grüner Wasserstoff: Komplett CO₂-frei und aus erneuerbaren Energien erzeugt. Nur grüner Wasserstoff erfüllt langfristig die Anforderungen des Pariser Klimaschutz­abkommens.

Lenzburger Weltneuheit

Die Lenzburger Messer Schweiz AG gehört zu den weltweit grössten Spezialisten für Industrie, Medizin und Spezialgase und ist der wichtigste Wasserstoffanbieter in der Schweiz. Das Unternehmen glaubt an Wasserstoff als Treibstoff und bringt deshalb eine Wasserstofftankstelle für den Haus­gebrauch auf den Markt. Als weltweiter Pionier hat Messer Schweiz die autarke und modulare Wasserstofftankstelle H24U entwickelt, welche vor allem für Einfamilienhäuser und kleinere Mehrfamilienhäuser konzipiert ist.

Messer Schweiz baut dafür auf die Forschung der ETH Lausanne, welche ein Verfahren entwickelt hat, dank dem sich Wasserstoff energie­effizient verdichten und speichern lässt. Wird die Wasserstofftankstelle mit einer Solaranlage kombiniert, stellt sie nicht nur klimaneutralen grünen Wasserstoff her, sondern dient zudem als Speicher für die Solarenergie.