«Unser Gasnetz braucht es weiterhin»

Stephan Frey heisst der neue Verwaltungsratspräsident der SWL Energie AG. Im Interview werfen er und Geschäftsführer Markus Blättler einen Blick auf die Energiewelt von morgen.

 

«Unser Gasnetz braucht es weiterhin»

Herr Frey, welche Stärke der SWL Energie AG möchten Sie als Verwaltungsratspräsident noch mehr fördern?

Stephan Frey (SF): Das Unternehmen hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es Trends rechtzeitig erkennt und mit Innovationen dem Durchschnitt der Branche voraus ist. Zwei Beispiele: Die SWL Energie AG bot als eines der ersten Schweizer Energieunternehmen nur noch Strom aus erneuerbaren Energien an und gehörte auch beim Einsatz von intelligenten Zählern zu den Pionieren. Diesen Weitblick möchte ich als Stärke erhalten und ausbauen, um neue Dienstleistungen frühzeitig zu lancieren. Ich denke etwa an datenbasierte digitale Angebote.

Der Energiemarkt verändert sich derzeit grundlegend. Welche Möglichkeiten bedeutet das künftig für die Kundinnen und Kunden?

SF: Einerseits erhalten sie mehr Auswahl: Sie können die Produkte und Dienstleistungen ihres Energieversorgers immer individueller wählen und zusammenstellen. Andererseits werden sie unabhängiger von ihrem bisherigen Versorger. Zum Beispiel können sie Solarstrom auch von einem Nachbarn mit einer Solaranlage beziehen.

Markus Blättler (MB): Diese Wahlmöglichkeiten bedeuten gleichzeitig, dass die Kunden eine grössere Verantwortung tragen. Mit ihren Entscheidungen bestimmen sie, wie ökologisch die Energieversorgung künftig funktioniert. Sind sie bereit, für regionale Energie mehr zu bezahlen? Oder wählen sie einfach das günstigste Produkt?

Welche Aufgaben sehen Sie in dieser Energiewelt von morgen für die SWL Energie AG?

SF: Ich sehe drei Aufgaben: Erstens wird der Bedarf an Beratungen durch das immer grössere und komplexere Angebot im Energiebereich zunehmen. Zweitens müssen wir den Kunden noch konsequenter das anbieten, was sie wirklich wollen. Im Heizungsbereich könnten das etwa Rundum-Lösungen für Wärmepumpen sein, selbst wenn das unser Gasgeschäft kannibalisiert. Drittens werden sogenannte Peer-to-Peer-Plattformen wichtiger, über welche Privatpersonen Energie- und Mobilitätsprodukte kaufen und verkaufen – ein mögliches neues Geschäftsfeld für uns.

Welche Rolle spielt künftig der Energieträger Gas noch?

MB: Die Industrie kommt für gewisse Produktionsprozesse kaum um Gas herum. In den Haushalten hingegen dürfte der Gasverbrauch kontinuierlich abnehmen, weil nur noch wenige neue Gasheizungen installiert werden. Das liegt daran, dass sie politisch nicht mehr erwünscht sind, die Gaspreise seit einiger Zeit hoch liegen und russisches Erdgas seit diesem Frühling einen schlechten Ruf hat. Das verbleibende Geschäft wird sich in Richtung erneuerbares Gas entwickeln, dessen Anteil laufend zunimmt.

SF: Auch wenn Gas sicher kein Wachstumsmarkt mehr ist: Unser Gasnetz braucht es weiterhin. Es lässt sich für zusätzliche Zwecke verwenden, etwa zum Transportieren und Speichern von erneuerbarem Gas, das in Power-to-Gas-Anlagen entsteht.

Ein gutes Stichwort: Im April wurde die Power-to-Gas-Anlage von Limeco eingeweiht (siehe weiter unten). Welches Potenzial sehen Sie bei dieser Technologie?

MB: Überschüssiger erneuerbarer Strom lässt sich bisher kaum in grösserer Menge und für längere Zeit speichern – oder nur mit hohen Kosten und erheblichen Energieverlusten. Das Power-to-Gas-Verfahren hingegen ermöglicht, den Strom in Gas umzuwandeln und dieses im Gasnetz zu speichern. Sein Potenzial ist also sehr gross. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Technologie politisch gewollt ist. Um sie voranzubringen, müsste die Schweiz unter anderem saisonale Gasspeicher bauen, die bisher fehlen.

Die SWL Energie AG hat die Power-to- Gas-Anlage in Dietikon als Partnerin mitermöglicht. Wie profitiert die Region Lenzburg davon?

MB: Unser regionaler Gasmix wird klimafreundlicher, weil wir einen Teil des erneuerbaren Gases abnehmen. Das funktioniert über sogenannte Zertifikate für den ökologischen Mehrwert. Sie bestätigen uns, dass die entsprechende Menge an erneuerbarem Gas produziert und ins Netz eingespeist wurde.

Grösste Power-to-Gas-Anlage in Betrieb

Im April wurde in Dietikon auf dem Areal des Regiowerks Limeco die grösste Power-to-Gas-Anlage der Schweiz offiziell eingeweiht. Sie macht aus erneuerbarem Strom klimafreundliches Gas. Die SWL Energie AG hat das Vorzeigeprojekt als Partnerin mitermöglicht. Gemeinsam mit sieben weiteren Energieunternehmen nimmt sie Limeco das erneuerbare Gas ab und finanziert so die Investitionen in die zukunftsträchtige Anlage mit. Das in Dietikon produzierte Gas speist Limeco ins Gasnetz ein. So braucht die Schweiz etwas weniger Erdgas zu importieren.

Lernen Sie die Power-to-Gas-Anlage kennen