Warum die Gaspreise so stark gestiegen sind

Die Gaspreise in Europa sind so hoch wie lange nicht. Doch weshalb eigentlich? Antworten auf brennende Fragen.

Warum die Gaspreise so stark gestiegen sind
Warum die Gaspreise so stark gestiegen sind
Warum die Gaspreise so stark gestiegen sind

Das hat für grosse Schlagzeilen gesorgt: Die Gaspreise in Europa sind so hoch wie lange nicht. Doch wie bildet sich eigentlich der Marktpreis für Gasenergie? Und warum ist er so stark gestiegen? Antworten auf brennende Fragen.

Genau wie bei Früchten oder Kaffeebohnen bildet sich der Preis von Gasenergie am Markt – wenn Nachfrage und Angebot aufeinandertreffen. Dennoch gibt es einen Unterschied: Bei Nahrungsmitteln liegt der Grund für Preisschwankungen fast immer auf der Angebotsseite. Zum Beispiel können Wetterkapriolen die Früchteernte vermindern. Die Nachfrage bleibt dennoch vergleichsweise konstant.

Bei der Gasenergie hingegen verändern sich sowohl Nachfrage als auch Angebot. Das macht den Markt und die Preise dynamischer als bei anderen Gütern.

Aussergewöhnliche Marktsituation

2021 hat sich die Situation am Gasmarkt komplett geändert. Die Handelspreise sind immer weiter gestiegen. Das liegt daran, dass derzeit eine hohe Nachfrage besteht und gleichzeitig ein geringes Angebot. Vor allem fünf Faktoren sorgen für die aussergewöhnliche Marktlage in Europa:

Hohe Nachfrage der Industrie: Die Weltwirtschaft hat sich von der Coronapandemie erholt und benötigt wieder mehr Energie.

Hohe Nachfrage der Gaskraftwerke: Die europäischen Stromproduzenten stellen seit einiger Zeit mehr Strom in Gaskraftwerken her.

Geringes Angebot an Flüssiggas: Vor allem Asien setzt derzeit sehr viel Gasenergie ein. Flüssiggas aus Katar und Amerika wird daher primär dorthin geliefert. Das verknappt und verteuert das Angebot an Gasenergie in Europa.

Geringes Angebot an gespeichertem Gas: Nach der vergleichsweise kalten und langen Heizsaison 2020/21 dauert es dieses Jahr länger als sonst, bis die europäischen Gasspeicher wieder gefüllt sind. Zusätzlich gab es bei einigen Speichern Wartungsarbeiten, die wegen Corona auf dieses Jahr verschoben werden mussten. Das geringere Angebot an gespeicherter Gasenergie treibt die Preise hoch.

Geringeres Angebot durch Revision von Förderplattformen: Die Schweiz bezieht einen beträchtlichen Teil ihrer Gasenergie aus Norwegen. Dort sind zurzeit einige Plattformen für die Gasförderung in Revision, sodass sie kein Gas liefern.

Gasbeschaffung breit abstützen

Regionale Gasversorger wie die SWL Energie AG beschaffen ihre Gasenergie bewusst nicht selbst. Dafür ist die benötigte Menge zu klein. Denn an den Energiemärkten gilt die Regel: Je mehr Energie eingekauft wird, desto geringer fällt der Preis aus. Deshalb übernimmt die Gasverbund Mittelland AG die Gasbeschaffung für 15 Schweizer Gasversorger.

Mit ihrer Beschaffungsstrategie ist die Gasverbund Mittelland AG bestrebt, Preisschwankungen zu dämpfen. Dazu bezieht sie die Gasenergie wenn möglich zu verschiedenen Zeitpunkten und von mehreren Anbietern.

Mehrere Preiskomponenten

Dass die Gaspreise der SWL Energie AG weniger schwanken als die Handelspreise, hat noch einen weiteren Grund: Die regionalen Gaspreise setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen. Die eigentliche Gasenergie macht nur rund die Hälfte aus. Hinzu kommen die Netznutzungskosten, um das Gas von den Förderstellen durch das Gasnetz bis zu den Kundinnen und Kunden zu transportieren. Zusätzlich erhebt der Bund aufs Erdgas eine CO2-Abgabe und die Mehrwertsteuer.

Zusätzliche Preisanpassung

Normalerweise passt die SWL Energie AG ihre Gaspreise zweimal jährlich an: per 1. Januar und per 1. Juli. Kurzfristige Preisveränderungen federt sie ab. Doch in diesem Jahr sind die Beschaffungspreise derart stark gestiegen, dass das Unternehmen die Kosten nicht mehr selbst ausgleichen konnte und die Preise zusätzlich per 1. November erhöhen musste. «Sonst hätten wir die Substanz unseres Unternehmens angegriffen», sagt Geschäftsführer Markus Blättler.

Zur Diskussion stand, die höheren Beschaffungskosten vorzufinanzieren. So wären die Gaspreise zwar weniger stark gestiegen, aber später – bei tieferen Handelspreisen – auch weniger stark gesunken. «Weil die Lösung nicht verursachergerecht ist, haben wir sie verworfen.»

Wie lange die hohen Marktpreise für Gasenergie noch anhalten, lässt sich gemäss Markus Blättler nur schwer vorhersagen: «Wir rechnen damit, dass sie mindestens bis Ende der Heizperiode 2021/22 hoch bleiben.» Zudem erhöht der Bund per 1. Januar 2022 die CO2-Abgabe. Eines ist klar: Sobald die Beschaffungspreise sinken, wird die SWL Energie AG diese Preisreduktion vollumfänglich an ihre Kunden weitergeben.

Produkte mit 50% und 100% Biogas: Geringere Preiserhöhung

Wenn die Beschaffungspreise für Erdgas steigen, nehmen auch jene für Biogas zu. Nicht davon betroffen ist jenes Biogas, das die SWL Energie AG mit ihrer Biogas-Aufbereitungsanlage in Möriken-Wildegg selbst produziert. Daher hängt die Erhöhung des Gaspreises vom gewählten Gasprodukt ab: Bei den beiden Gasprodukten «Plus» mit 50% Biogas und «Premium» mit 100% Biogas fällt sie weniger stark aus als beim Standardprodukt mit 20% Biogas.