Wie Solaranlagen das Stromnetz weniger belasten

Die Anzahl Solaranlagen steigt rasch. Das ist gut für die einheimische Stromproduktion, hat aber auch Folgen fürs Netz. Wie die SWL Energie AG die Netzstabilität in Lenzburg weiterhin sicherstellt, erklärt Lars Huber, Leiter Systemtechnik.

Wie Solaranlagen das Stromnetz weniger belasten

Macht es sich im SWL-Stromnetz heute schon bemerkbar, dass immer mehr Solaranlagen Strom einspeisen?

Lars Huber: Ja, vor allem in Randgebieten von Lenzburg nehmen wir wahr, dass das Stromnetz zeitweise stärker belastet ist. Das liegt an der hohen Gleichzeitigkeit: An sonnigen Sommertagen speisen alle Solaranlagen zur selben Zeit viel Strom ins Netz. Um Engpässe zu vermeiden, haben wir bereits vereinzelt Netzverstärkungen durchgeführt oder planen sie derzeit.

Die Zahl der Solaranlagen nimmt weiter zu. Wie bereitet sich die SWL Energie AG beim Stromnetz darauf vor?

Klar ist: Wenn wir alle neuen Solaranlagen wie bisher ohne zusätzliche Massnahmen ans Netz anschliessen, braucht es viele Netz- und Trafoausbauten, um die Netzstabilität weiterhin sicherzustellen. Das würde hohe Zusatzkosten bedeuten, die letztlich alle Kundinnen und Kunden tragen müssten – keine gute Lösung. Zum Vermeiden dieser Kosten gehen wir einen anderen Weg: Mit einer Kombination aus Empfehlungen, Vorgaben und finanziellen Anreizen für die Hauseigentümerinnen und -eigentümer wollen wir erreichen, dass neue Solaranlagen das Stromnetz weniger belasten. Dabei helfen uns auch die Netzberechnungen und -messungen, die wir regelmässig durchführen. Alle diese Massnahmen erlauben uns, die einzelnen Netzabschnitte erst dann auszubauen, wenn wir sie gemäss dem normalen Turnus sowieso erneuern. Einen teuren vorzeitigen Netzausbau können wir im Interesse der Kundschaft in vielen Fällen verhindern.

Wie können die Besitzerinnen und Besitzer von Solaranlagen mithelfen, das Stromnetz zu entlasten?

Jede Photovoltaikanlage hat eine Maximalleistung der Solarmodule. Vereinfacht gesagt ist das der Betriebszustand, in dem sie am meisten Strom produziert. Diese maximale Leistung erreicht die Solaranlage jedoch nur zu wenigen Zeitpunkten im Jahr. Um das Stromnetz zu entlasten, kann sie daher auch mit einer geringeren Leistung ans Netz angeschlossen werden. Das bedeutet: Die Besitzerinnen und Besitzer von Solaranlagen schöpfen deren Produktionskapazität zwar aus und produzieren möglichst viel Strom damit. Zu Spitzenzeiten wie etwa in sonnigen Mittagsstunden können sie aber nicht die ganze Energie ins Netz einspeisen, sondern verbrauchen oder speichern den Rest im eigenen Gebäude.

Wie geht das?

Einerseits kann mit dem Solarstrom zum Beispiel das Elektroauto geladen, die Wärmepumpe betrieben oder das Wasser aufgeheizt werden. Diesen Verbrauch direkt im Gebäude nennt man Eigenverbrauch. Andererseits lässt sich mit dem Strom auch ein Batteriespeicher laden. Damit mehr Hauseigentümerinnen und -eigentümer in Lenzburg ihre Solaranlage mit einem Batterie­speicher kombinieren, hat die Stadt ein Förderprogramm lanciert: Sie unterstützt neue Batteriespeicher im Verbund mit Solaranlagen. Zusätzlich empfiehlt sich ein sogenanntes Energiemanagementsystem, um das Zusammenspiel der Solaranlage mit dem Batteriespeicher und den erwähnten grossen Verbrauchern zu optimieren. Der Strom soll so weit wie möglich im eigenen Gebäude verbraucht werden.

Bedeutet das auch, die Solaranlage absichtlich kleiner zu dimensionieren?

Nein. Auf keinen Fall sollte man auf Solarmodule verzichten, um den Eigenverbrauchsanteil – also den Eigenverbrauch in Relation zur Gesamtproduktion – zu erhöhen. Sowohl für die Besitzerinnen und Besitzer der Solaranlagen als auch für das ganze Stromsystem ist es von Vorteil, wenn immer die gesamte verfügbare Dachfläche ausgenutzt wird.

Wie bringen Sie die Besitzerinnen und Besitzer von Solaranlagen dazu, diese mit reduzierter Leistung ans Stromnetz anschliessen zu lassen?

Basierend auf dem neuen Stromversorgungsgesetz wollen wir bei neuen Solaranlagen künftig vorschreiben, dass die Einspeiseleistung höchstens 70 Prozent der maximalen Produktionsleistung entsprechen darf. Wer freiwillig auf 60 Prozent oder sogar 50 Prozent geht, erhält von uns eine Zusatzvergütung pro Kilowattstunde eingespeisten Solarstrom. Denn durch diese Reduktion tragen die Anlagenbesitzerinnen und -besitzer dazu bei, dass wir geringere Kosten für den Netzausbau haben. An den vermiedenen Kosten wollen wir sie beteiligen. Für die Umsetzung bestehen noch einige Unsicherheiten, weil die Verordnungen zum neuen Stromversorgungsgesetz noch nicht verabschiedet sind. Derzeit sieht es aber gut aus, dass wir unsere Pläne umsetzen können.

Gilt die neue Vorschrift auch für bestehende Solaranlagen?

Nein. Aber auch diese Besitzerinnen und Besitzer profitieren von einer Zusatzvergütung, wenn sie die Einspeiseleistung freiwillig auf 60 Prozent reduzieren. Dazu braucht es meist nur eine kleine technische Anpassung.

Welche Produktionsreduktion bedeutet es, die Solaranlage mit reduzierter Leistung ans Stromnetz anzuschliessen?

Unsere Analyse zeigt, dass die Einbusse äusserst gering ausfällt. Ein Beispiel: Wenn man seine Solaranlage auf 70 Prozent Einspeisung begrenzt, bedeutet das aufs ganze Jahr gesehen weniger als ein Prozent Produktionsreduktion – und dies erst noch zu Zeiten von Stromüberfluss im Netz. Mit einem Batteriespeicher oder dem Eigenverbrauch durch eine Ladestation oder eine Wärmepumpe lässt sich eine Einbusse sogar ganz vermeiden.